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Bauen in Zeiten von Corona

Das Corona-Virus beeinträchtigt inzwischen auch das Baugeschehen bundesweit. Was können Bauherren tun, die sich aktuell in der Bauphase befinden? Hier einige Experteninformationen.


Jutta Junge, Hannover


Die Sachverständigen des Verbands Privater Bauherren (VPB) berichten von Warnungen einzelner Baufirmen, demnächst anstehende Einzugstermine seien nicht zu halten. Lieferengpässe und Mitarbeiter unter Quarantäne sind aktuell die wesentlichen Probleme. Was können Bauherren tun? 

„Im Augenblick ist alles in der Schwebe. Allgemeine rechtliche Ratschläge kann man nicht geben, denn jeder Fall ist anders“, erläutert der Vertrauensanwalt des Verbands Privater Bauherren (VPB) Holger Freitag. „Wir raten zur Besonnenheit. Bauherren sollten mit ihren Firmen reden. Und zwar im Sinne des werkvertraglichen Kooperationsgedankens. Es geht um frühzeitigen Informationsaustausch. Weder sollten jetzt spontan Absprachen getroffen werden, die sich später als Anspruchsverzicht, Leistungsminderung oder unnötige Preiserhöhung auswirken. Schon gar nicht sollten sie Miet- oder sonstige Verträge voreilig kündigen oder sich auf vorgezogene Zahlungen einlassen.“

Was geschieht, wenn Baumaterialien nicht rechtzeitig geliefert werden können?

Die ersten Firmen teilen ihren Auftraggebern aufgrund der Corona-Krise mit, dass Heizungs-, Elektro- und Lüftungsinstallationstechnik, die in Asien produziert wird, nicht rechtzeitig geliefert und deshalb nicht eingebaut werden kann. „Korrekt sollten Baufirmen das in einem sogenannten Bedenkenhinweis den Bauherren mitteilen, jedenfalls wenn ein VOB/B-Vertrag vorliegt“, erläutert Rechtsanwalt Holger Freitag. Es bleibt aber zu klären, ob das Fehlen der Teile tatsächlich auf der Corona-Krise beruht und nicht nur ein vorgeschobener Grund für einen ohnehin zurückliegenden Bauunternehmer ist.

Eine weitere Frage ist, ob nur die nicht lieferbaren Teile geschuldete Leistung sind oder ob diese durch andere – noch lieferbare – ersetzt werden können. Das hängt davon ab, ob vertraglich nur der Bauwerkserfolg und nicht auch die genauen Teile zur Erreichung der Leistung vereinbart worden sind. Hier allerdings reicht es in der Regel nicht, wenn in AGB das nicht lieferbare Fabrikat und „oder gleichwertig“ benannt sind, denn dieser Leistungsänderungsvorbehalt ist als AGB zu unpräzise. 

Wie sollen Bauherren in diesen Fällen verfahren? Zunächst sollte das Gespräch mit der Baufirma gesucht werden, das ist telefonisch oder per Mail möglich. Eventuell können die Firmen auf technische Alternativen ausweichen, die nicht vertraglich geschuldet sind. Bevor Bauherren hier etwas fest machen, sollten sie das unbedingt vorher mit ihrem Sachverständigen absprechen. Beratungen der Bauherren können telefonisch oder über Messaging-Dienste stattfinden.

Wie sollte man sich als Bauherr bei Einzugsverzögerungen verhalten?

Kann der Fertigstellungstermin eines Hausbaus aufgrund der Corona-Krise nicht gehalten werden, verschieben sich auch der Umzug und damit besser auch die Kündigung der Mietwohnungen. Ob die Baufirmen bei Einzugsverzögerungen haften müssen, ist ungewiss. Denn Schadensersatzansprüche setzen immer Verschulden voraus. Die Beweislast dafür trägt zwar hier die Firma, aber angesichts der Pandemie ist das Führen eines Entlastungsbeweises im Einzelfall gut denkbar. Überhaupt muss für Verzug die Leistung erst einmal fällig sein. Wenigstens die Bauzeit muss zwar in Bauträgerverträgen und Verbraucherbauverträgen seit 2018 angegeben werden. Es finden sich aber viele Klauseln in den Verträgen, die eine Verlängerung der Bauleistungszeit vorsehen.

„Prominentester Vertreter“, erläutert Rechtanwalt Holger Freitag, „ist eine Bauzeitverlängerung für den Fall höherer Gewalt. Darunter fasst die Rechtsprechung Lagen, die außerhalb der vertraglichen Beziehung angesiedelt sind, von keiner Vertragspartei verschuldet oder auch nur vorhergesehen worden sind und auch nicht vorhergesehen hätten werden müssen und gegen das es auch bei größter Sorgfalt durch die Vertragsparteien keine effektive Abwendungsmöglichkeit gibt. Es ist gut denkbar, dass die Corona-Krise darunter gefasst wird. Die Frage bleibt natürlich immer in jedem Fall, ob die Verzögerung denn auch tatsächlich auf der Pandemie beruht.“

Daher sollten Bauherren überlegen, ob sich dieser Weg mit allen Konfrontationen lohnt. Die Verschiebung des Umzugs kann Nerven schonen. „Zum Schluss bleibt auch immer die Frage, ob alle Bauherren, die ihre finanziellen Rechte gegenüber der Firma geltend machen, zum Schluss auch tatsächlich zu ihrem Geld kommen oder gemeinsam die Firma in die Insolvenz treiben“, gibt Holger Freitag zu bedenken.

Was kann man als Bauherr tun, wenn die Baufirma aufgrund der Corona-Krise den Bau einstellt?

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Wenn die Arbeit auf der Baustelle ruht … (Foto: Matthias Buehner – stock.adobe.com)

Wenn die Baufirma in der Corona-Krise den Bau einstellt, zum Beispiel, weil zu viele Mitarbeiter krank sind oder unter Quarantäne stehen, ist die Baustelle eventuell von einem Tag auf den anderen verwaist. Gelieferte Materialien stehen ungeschützt im Freien, Regen  kann in offene Mauerkronen eindringen. „In der Regel ist die Firma für die Baustelle zuständig“, erläutert Rechtsanwalt Holger Freitag, „aber was nutzt es, darauf zu pochen, wenn sich objektiv niemand kümmern kann?“

Bauherren, die auf eigenem Grundstück bauen, sollten in diesem Fall mit einem Bausachverständigen die Baustelle kontrollieren und zu prüfen, was schlimmstenfalls passieren könnte; auf der leeren Baustelle ist es kein Problem, den gebotenen Abstand zueinander zu halten. Eventuell müssen Mauerkronen vorübergehend abgedeckt werden. Auch Regenrinnen und Fallrohre, die schon installiert sind, sollten Regenwasser sicher ableiten, damit es nicht in den Bau fließt und dort Schäden verursacht. Hier können die Sachverständigen den Bauherren genau sagen, was nötig ist.

Wenn die Firma trotz Aufforderung diese oder gleichwertige Schutzmaßnahmen nicht in der gebotenen Kürze durchführt, muss bei dann notfalls selbst beauftragten Sicherungsmaßnahmen der Zustand durch den Sachverständigen vorher und nachher genau dokumentiert sein, um bei späteren Streitigkeiten über Mängel und Schäden genügend Nachweise an der Hand zu haben.

Bauherren sind zudem für die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzes auf der Baustelle mitverantwortlich nach Maßgabe der Baustellenverordnung. Ein Drängen auf Fertigstellung des Bauvorhabens darf nicht auf dem Rücken der Gesundheit der Beschäftigten erfolgen.

Wie sollten sich Bauherren bei voreiliger Aufforderung zur Bauabnahme verhalten?

Weil Baufirmen nun während der Corona-Krise unter Druck stehen, versuchen manche, fast fertige Bauten möglichst schnell abzuwickeln und abzurechnen. Sie schicken den Bauherren die Aufforderung zur Abnahme mit Fristsetzung. „Auf dieses Schreiben sollten Bauherren auch reagieren“, rät Rechtsanwalt Holger Freitag. „Allerdings müssen sie den Bau nicht abnehmen, nur weil die Firma das verlangt. Und eine fiktive Abnahme, über die gegenüber Verbrauchern auch in Textform zu informieren ist, damit sie wirksam werden könnte, setzt die Fertigstellung des Bauwerks voraus.“ Der Verband Privater Bauherren rät zur Baustellenbegehung mit dem eigenen Sachverständigen. Keinesfalls sollten Bauherren die Abnahme einfach schriftlich erklären.

(Titelfoto: Horst Schmidt – Fotolia.com)